Häufig unterwegs zu sein, viele Küchen und Kollegen zu sehen, in fremden Töpfen rühren und immer wieder mit neuen Situationen in der Gastronomie zurecht zu kommen – das hört sich für viele verlockend an, ist aber wider der Erwartung vieler wirklich anstrengende Arbeit mit teils hohem Kopfschüttelfaktor. Abgesehen von maroden Küchen, fehlendem Equipment, ganz zu schweigen von fehlendem oder unmotivierten Personal und ganz vielen anderen Störfaktoren finde ich die Wahl der Gewürze und “Hilfsmittel” sehr oft zwischen interessant und bedenklich – und möchte die Leser unseres Magazins an meinen Gedanken teilhaben lassen.
Grundlegend gilt: Für den guten Geschmack sorgt eine bestimmte Aminosäure, die sogenannte L-Glutaminsäure.
Glutaminsäure ist in erster Linien eine Aminosäure, die wir selbst herstellen können und die unverzichtbar für unseren Stoffwechsel ist.
Die Salze dieser Aminosäure nennt man Glutamate – soweit hört sich das unspektakulär und recht wissenschaftlich an. Die L-Glutaminsäure wirkt jedoch nur dann wirklich geschmacksverändernd bzw. -verstärkend, wenn sie aus dem Eiweiß gelöst wird, also praktisch in ihrer freien Form vorliegt. Sojasauce, gereifter Käse, Tomaten, Steinpilze haben eine recht hohe Konzentration von L-Glutaminsäure und stimulieren mittels des sogenannten Umami-Geschmacks bestimmte Rezeptoren auf unserer Zunge. In Käse und der Sojasauce zum Beispiel entsteht Glutamat während des Fermentierungsvorgangs, also ein völlig natürliches Produkt, ein natürlicher Prozess – das zeigt uns, das der Begriff “Glutamat” nicht zwangsläufig negativ sein muss, hier besteht ein großes Wissensdefizit.
Garmethoden wie Sous Vide setzen zum Beispiel bei Fleisch einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Aminosäuren frei, was den Geschmack merklich intensiviert – das ist das Umami-Prinzip.
Umami ist der fünfte Geschmack neben süß, sauer, bitter und salzig – der Begriff “Umami” kommt aus dem japanischen und bedeutet so viel wie “köstlich” oder “Köstlichkeit”. Umami ist also auch Glutamat, aber das gute, das natürliche. Das schlechte Glutamat ist ein Isolat, ein Pulver, eine inzwischen industriell gefertigte Sucht. Versteckte Glutamate in Lebensmitteln findet man auch gern unter den Bezeichnungen Hefeextrakt, hydrolysiertes Gemüseprotein, autolysierte Hefe, hydrolysierte Hefe, Proteinisolate oder Sojaextrakte. Große Gewürzhersteller schreiben auch ganz gern “Würze” in die Zutatenliste.
An dieser Stelle des Artikels haben wir also bereits gelernt, dass wir Geschmack natürlich erzeugen und verstärken können, ohne auf Zusatzstoffe zurückgreifen zu müssen.
Zusatzstoffe, also Glutamat in Pulverform, als Würzpaste bzw. -sauce und Ableger dieser Produkte sind gesundheitlich nicht unbedenklich. Bei empfindlichen Menschen können diese “Industrie-Glutamate” Trockenheit und Taubheitsgefühle in Mund und Rachen hervorrufen, Erbrechen, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Asthma, Taubheitsgefühle über den Mundraum hinweg, Durchfälle, Atemnot oder Schwäche, Nesselsucht und andere entzündliche Haut- oder Schleimhautreaktionen verursachen. “Leider” reagieren nur ca. 3% der Bevölkerung mit heftigen Reaktionen, sonst wäre dem Ganzen vermutlich schon der Riegel vorgeschoben worden.
In den meisten Küchen finde ich Glutamat-Isolate. Wenn man Köche auf Ihr “Maria Hilf” anspricht, findet man häufig bei Vegeta-Verwendern entweder aus Unwissenheit oder Ignoranz die Antwort “ist doch nur eine Gemüsemischung”. Gott sei Dank gibt’s auch noch Köche, die lesen können. Denn Vegeta ist nichts anderes als eine salzbasierte Mischung von Mononatriumglutamat. Mit Gemüseanteil, das ist richtig. Ach so – Zucker ist auch noch drin. Und Riboflavin, ein Farbstoff. Ach ja, ein wenig Dinatriuminosinat auch noch, ein weiterer Geschmacksverstärker. Aber mit Gemüseanteil. Jawohl.
Ich selbst bin in der Maggi-Zeit aufgewachsen. Bei der Oma kam die Flüssigwürze sogar auf die hervorragenden Königsberger Klopse… Im Endeffekt sehe ich für Generationen hier den Ursprung allen Übels. Alle Suppen und teils Nudelgerichte und Klassiker wie die Klopse wurde damals versaut mit Maggi. Ich zitiere aus Wikipedia: “Die Würzsauce ist vegan, weil ihre Grundlage Pflanzenproteine sind. Früher wurde sie aus Sojabohnen und Weizen als Eiweißbasis hergestellt, seit 2006 wird ausschließlich Weizen genutzt. Die Zutaten wurden ursprünglich durch Kochen in Salzsäure denaturiert und hydrolysiert und anschließend mit Natronlauge neutralisiert, woraus sich große Mengen Kochsalz ergaben. Diese Methode wird nicht mehr angewandt, stattdessen kommen enzymatische Hydrolyseverfahren zum Einsatz. Die entstandene Würze wird filtriert und durch Geschmacksverstärker wie Mononatriumglutamat, Aromastoffe und Salz ergänzt. Je nach Angebotsland können die Zutaten geringfügig variieren.”
Auch kann man durch die intensive Verwendung von Geschmacksverstärkern auf die Gewichtsproblematik vieler rückschließen. Man isst größere Portionen, weil die Glutamate ihr übriges tun und den Appetit anregen. Dadurch steigt in logischer Konsequenz das Risiko für Übergewicht. Auch tritt das Prinzip der Gewöhnung in Kraft, alles “nicht überwürzte” wird als fad und geschmacksarm bewertet, was vielen frisch kochenden Gastronomen zum Verhängnis wird! Die frisch gekochte Rindssuppe wird im Gegensatz zur Pulversuppe häufig als wässrig und langweilig beschrieben, ein Trauerspiel. Künstlich generierte Geschmacksverfälschung.
Und dann gibt’s die Küchen, die Mononatriumglutamat in Kilosackerln beim Asiaten bestellen, das Zeug in GN-Einsätzen neben dem Herd steht und wie Meersalz beinahe inflationär verwendet wird. Wirklich. Die gibt’s. Ganz in Ihrer Nähe.
Es könnte doch so einfach und schön sein, nähmen wir die Kraft der Natur und verzichteten auf pulverisierte fragwürdige Zugaben. Den Parmesan haben wir bereits erwähnt, wir kennen ihn alle als Geschmackspower für vornehmlich italienische Speisen. Die volle Umami-Power erhält man direkt vom frisch auf die warme Speise geriebenen Parmesan, da kann man (fast) auf Salz verzichten. Auch Chiliflocken (die müssen nicht furchtbar scharf sein, es gibt auch fruchtig milde) sind genauso geschmacksverstärkend und -unterstützend wie feines Tomatenpulver oder die gröberen Tomatenflocken, was man alles bei gut sortierten Gewürzhändlern bekommt.
Die Asiaten verwenden kein Salz, sie schwören auf ihre fermentierte Flüssigwürze wie zum Beispiel Sojasauce, Fischsauce, Austernsauce. Und das funktioniert wunderbar, unterstützen diese Saucen doch fast jedes Gericht auf eine andere Art, denn die Würze wirkt auf und in jeder Speise anders. Kochkursteilnehmer sind jedes Mal überrascht, dass der klassische Thai-Dip (Fischsauce, Knoblauch, Chili) bei jedem Gericht verwendet und bei jedem Gericht in einem anderen Geschmack resultiert.
Die Italiener verwenden gern Sardellenpasten und Tomatenmark sowie getrocknete Tomaten, was die gleiche Wirkung hat wie Fischsauce und Sojasauce bei den Asiaten. Hier kommen zusätzlich bei den meisten Gerichten Zwiebeln und Knoblauch zum Einsatz, die für die geschmackliche Breite sorgen. Ein Spritzer Zitronensaft oder ein wenig Abrieb von der Zitronenschale runden das ganze ab und der gesamte Geschmackskörper kommt zur Geltung.
…sich Zeit zu nehmen. Das beste Gericht entsteht nur mit Liebe und Zeit, nicht mit der Hand voll Glutamat. Ich bin mir durchaus bewusst, dass man in der Gastronomie gegen die großen Gewalten wie Zeit, Personal, Geld, Motivation und Wissen kämpft – dennoch kann man preisgünstig Frische umsetzen. Am Ende des Tages zählt die gute Bewertung, das Lob und der zufriedene Gast.
Lassen Sie uns gemeinsam alle an einem Strang ziehen und die Geschmacksknospen neu einnorden in Richtung Frische, Qualität und Nachhaltigkeit.
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Anmerkung: Im Sinne einer leichteren Lesbarkeit wurde auf die Unterscheidung des Geschlechts verzichtet. Sämtliche beschriebene Positionen beziehen sich selbstverständlich auf alle Geschlechter (w/m/d).
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